12 Juni 2013

Vollstreckung eines deutschen Urteils in den Niederlanden

Kategorie: German Desk, Prozessrecht

Wie kann ein deutsches Urteil in den Niederlanden anerkannt und vollstreckt werden?

In den Niederlanden können Urteile eines deutschen Gerichts oder Schiedsgerichts nicht direkt durchgesetzt werden, sofern sie sich nicht auf einen Vertrag oder auf in den Niederlanden anwendbares EU Recht stützen. Trifft keine dieser Bedingungen zu, so kann die Vollstreckung durch die Einleitung eines neuen Verfahrens vor den niederländischen Gerichten erreicht werden. Das Gericht wird eventuell berücksichtigen, dass die Parteien bereits aufgrund derselben Angelegenheit ein Gerichtsverfahren angestrengt haben und daher nur eine Plausibilitätsprüfung durchführen.

Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (EuGVVO) und Lugano Convention

Der wichtigste Vollstreckungs- und Anerkennungsvertrag bezüglich handelsrechtlicher Rechtsstreitigkeiten ist die „Lugano Convention“. Die Anerkennung von Urteilen, die in anderen Mitgliedstaaten (auβer Dänemark – für welches aber grundsätzlich in den meisten Fällen die gleichen Regeln gelten) erlassen werden, erfolgt durch die Europäische Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung (Verordnung Nr. 44/2001 des Rates, auch genannt „EuGVVO“), welche auf der Lugano Convention basiert. Unter „Urteil“ im Sinne der EuGVVO und der Lugano Convention ist jede Entscheidung zu verstehen, die von einem Gericht der Mitgliedstaaten erlassen worden ist, ohne Rücksicht auf ihre Bezeichnung wie Verordnung, Zahlungsbefehl, Entscheidung, Vollstreckungsbescheid oder Kostenfestsetzungsbeschluss eines Gerichtsbediensteten.

Vollstreckung eines deutschen Urteils in den Niederlanden

Im Rahmen dieser Instrumente sind alle Urteile aus EU Mitgliedstaaten, Island, Norwegen und der Schweiz in den Niederlanden mit der Genehmigung des Gerichts (Richter des Eilverfahrens) vollstreckbar. Der Antragsteller muss dem Richter eine beglaubigte Kopie des Urteils und ein Zertifikat des originären Gerichts, welches das Gericht sowie die Parteien des Urteils identifiziert, zur Verfügung stellen. Dieser Antrag kann im Auftrag des Antragstellers durch einen niederländischen Rechtsanwalt ausgefüllt werden. Im Allgemeinen ist das Anerkennungsverfahren nach der Lugeno Convention und nach der EuGVVO gleich. Der zuständige Richter wird sich nicht mit den Gründen, aus welchen ein Vollstreckungsantrag versagt werden kann, befassen, sondern er wird lediglich prüfen ob alle Formalitäten eingehalten wurden. Das Gericht befasst sich nur mit den Gründen, wenn die gegnerische Partei Beschwerde gegen die Vollstreckungserklärung einlegt. Dem Gericht ist es nicht erlaubt den Fall in der Sache selbst zu überprüfen.

Niederländische Rechtsanwälte spezialisiert in Anerkennungsverfahren von deutschen Urteilen

In den letzten Jahren wurde neben den Verfahren der EuGVVO und der Lugano Convention einige alternative (EU) Verfahrensweisen zur Erlangung eines Vollstreckungstitels in der der gesamten EU eingeführt.

Europäischer Vollstreckungstitel (EuVT)

Während die EuGVVO und die Lugano Convention es jedem Amtsgericht erlauben ein deutsches Urteil als vollstreckbar zu erklären, bietet die Verordnung Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (betreffend den europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen – die EuVTVO) (anwendbar in allen EU Mitgliedstaaten auβer Dänemark) die Möglichkeit ein Urteil als „Europäischen Vollstreckungstitel“ (EuVT) in den ursprünglichen Mitgliedstaaten zu bescheinigen. Ein EuVT wird von allen teilnehmenden Mitgliedstaaten anerkannt und kann ohne Vollstreckungserklärung durchgesetzt werden. Ein Urteil kann jedoch nur als Europäischer Vollstreckungstitel qualifiziert werden, wenn die Forderung – wie in der EuVTVO festgesetzt ist – unbestritten war und wenn das Gerichtsverfahren in den ursprünglichen Mitgliedstaaten einige Voraussetzungen erfüllt (z.B. die Zustellung der Klage).

Europäischer Zahlungsbefehl

Einen Schritt weiter geht die EU Verordnung Nr. 1896/2006 (betreffend die Einführung eines europäischen Mahnverfahrens), die in allen Mitgliedstaaten auβer Dänemark angewendet wird. Diese Verordnung wurde für unbestritten monetäre Forderungen erstellt und bietet eine einheitliche Verfahrensweise. Während die EuVTVO einen EU weiten Vollstreckungstitel für alle Urteile in unstreitigen monetären Forderungen in der EU (die Urteile kommen von verschiedenen rechtlichen Verfahren) anstrebt, hat diese Verordnung ein einheitliches Inkassoverfahren kreiert. Verhandlungen, in denen ein Europäischer Zahlungsbefehl erreicht werden soll, beginnen damit, dass der Antragsteller einen Antrag bei dem zuständigen Gericht einreicht (d.h. das Gericht, das die internationale Gerichtsbarkeit innehat und das als zuständiges nationales Gericht bestimmt ist, die Anträge für europäische Zahlungsbefehle zu bearbeiten – in den Niederlanden ist das zuständige Gericht das Landgericht in Den Haag). Wenn alle formalen Voraussetzungen erfüllt sind, wird das Gericht einen Europäischen Zahlungsbefehl ausfertigen und ihm dem Antragsgegner gemäβ der Regelung zustellen. Der Antragsgegner kann sich dieser Anordnung innerhalb von 30 Tagen widersetzen. Wenn der Antragsgegner sich dem Zahlungsbefehl widersetzt, wird das Verfahren als ein ordentliches Zivilverfahren vor dem zuständigen Gericht fortgesetzt. Wenn der Antragsgegner keinen Widerspruch einlegt, ist der Europäische Zahlungsbefehl in allen Mitgliedstaaten ohne vorherige Anerkennung und ohne Vollstreckungsverfahren durchführbar.

Europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen

Die EU Verordnung Nr. 861/2007 (betreffend die Einführung des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen) ist auch in allen Mitgliedstaaten auβer Dänemark anwendbar. Sie kreiert ein einheitliches Verfahren in allen Mitgliedstaaten für so genannte geringfügige Forderungen. Das einheitliche Verfahren wird in den teilnehmenden Mitgliedstaaten angewandt, sofern (1) eine Forderung einen Wert von 2,000 € nicht übersteigt und sofern (2) wenigstens eine der Parteien ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem ersuchten hat. Die Verfahren beginnen mit der Einreichung des Antrags bei dem zuständigen Gericht. Das Gericht wird den Antrag dem Antragsgegner zustellen, der innerhalb von 30 Tagen den Widerspruch schriftlich eingelegt haben muss. Ein Urteil aus einem Mitgliedstaat des Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen wird ohne Vollstreckbarkeitserklärung und ohne die Möglichkeit diese Anerkennung anzufechten in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt. Urteile im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen können sich nach den zivilrechtlichen Verfahrensregeln des Mitgliedstaates, in welchem das Urteil erlassen wurde, richten.

Niederländische Rechtsanwaltskanzlei spezialisiert in (internationalen) Schiedsgerichtsverfahren

Sowohl nationale (niederländische) als auch internationale Schiedsgerichtsurteile können nicht direkt in den Niederlanden vollstreckt werden. Niederländische Schiedssprüche können relativ einfach durch die Zustimmung des Richters des Eilverfahrens vollstreckt werden; Schiedsgerichtsurteile von internationalen Schiedsgerichten können nur auf der Grundlage von einem anwendbaren Vertrag anerkannt werden. Der wichtigste Vertrag ist die „New Yorker Convention“. Ein Antrag auf Anerkennung und Vollstreckbarkeit eines internationalen Schiedsspruches wird bei dem zuständigen Gericht eingereicht. Die Zuständigkeit des Gerichts richtet sich nach dem Wohnsitz der Partei, gegen welche die Vollstreckung angestrebt wird. In den Niederlanden muss dieser Antrag von einem niederländischen Rechtsanwalt eingereicht werden.

Niederländische Rechtsanwaltskanzlei in Amsterdam

Die Prozessanwälte der Rechtsanwaltskanzlei Blenheim haben jahrelange Erfahrung in internationalen Rechtsstreitigkeiten und in allen ähnlichen grenzüberschreitenden (einfachen oder komplexen) Angelegenheiten, wie zum Beispiel Gerichtsstandsangelegenheiten und die Vollstreckung eines deutschen Urteils in den Niederlanden.

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